Stellungnahme des VBE NRW zum Kernlehrplan Informatik für die Sekundarstufe I (Kl 5 u. 6)

26.03.2021

Durchführung der Verbändebeteiligung gem. § 77 Abs. 3 SchulG

Der VBE NRW nimmt zu folgenden Aspekten Stellung:

Die Corona-Pandemie fordert alle Schulen seit über einem Jahr in einem unglaublichen Maße. Wechselnde Vorgaben, unterschiedliche Unterrichtsmodelle und -konzepte und die konstante Einhaltung der notwendigen Hygieneregeln haben einen Schulalltag zur Folge, der weit weg von der „Normalität“ vor Corona ist. Daher ist aus Sicht des VBE die Einführung eines neuen Faches Informatik in den Klassen 5 und 6 der Sekundarstufe I zu diesem Zeitpunkt mehr als unglücklich und sollte verschoben werden, bis die Lehrkräfte wieder die Ressourcen haben, sich mit diesem neuen Fach und dem entsprechenden Kernlehrplan intensiv zu beschäftigen. Aktuell sollten sämtliche Zeit- und Kraftressourcen der Kolleginnen und Kollegen für die Schülerinnen und Schüler und den Unterricht eingesetzt werden können.

Außerdem stellt der VBE fest, dass es zu Beginn des Schuljahres 2021/2022 nicht ausreichend Lehrkräfte in den Schulen der Sekundarstufe I gibt, die das Fach Informatik unterrichten können. Die hierfür notwendigen Zertifikatskurse werden in den Bezirksregierungen zwar angeboten, die Anzahl der Lehrkräfte, die einen solchen Zertifikatskurs zum neuen Schuljahr abgeschlossen haben, ist aber noch sehr übersichtlich. Demzufolge werden die Fachkolleginnen und Fachkollegen, wenn vorhanden, die Unterrichtsversorgung in der fünften und sechsten Jahrgangsstufe gewährleisten, was zur Folge hat, dass ihre Stunden, etwa für das Fach Informatik im Wahlpflicht-Bereich oder in der Oberstufe der Gesamtschulen fehlen werden. Insgesamt muss hier festgehalten werden, dass die Problematik des Fachkräftemangels die Einführung dieses neuen Faches in den Klassen 5 und 6 beeinträchtigen wird. Aus Sicht des VBE wird dieses Problem auch nicht dadurch ausreichend gemindert, dass die Schulen die Möglichkeit haben, erst ein Jahr später, in den Klassen 6, mit der Einführung des Faches Informatik zu beginnen.

Der VBE kritisiert, dass die Unterstützungsangebote, die sowohl ein Beispiel für einen schulinternen Arbeitsplan als auch Unterrichtsmaterialien beinhalten sollen, erst zum Schuljahr 2021/2022 zur Verfügung stehen sollen. Da die Lehrplankommission bis Januar 2022 an dieser Aufgabe weiterarbeitet, kann nicht genau abgesehen werden, wann welche Unterstützungsmaterialien zur Verfügung stehen. Das Vorhandensein der Unterstützungsangebote sind aus Sicht des VBE aber zwingend in zweierlei Hinsicht notwendig. Erstens benötigen die zukünftigen Lehrkräfte des Faches Informatik diese Materialien rechtzeitig vor dem Start des Faches in den Schulen, um sich mit ihnen auseinandersetzen zu können und zweitens ist es für die Verbändeanhörung zum Kernlehrplanentwurf Informatik wesentlich zu wissen, wie die Unterstützungsangebote genau aussehen, um den Kernlehrplan an sich differenzierter beurteilen zu können. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass in den Schulformen der Sekundarstufe I, außerhalb des Gymnasiums, fast ausschließlich Lehrkräfte das Fach Informatik unterrichten werden, die nicht für das Fach grundständig ausgebildet wurden.

Der VBE stellt ebenso kritisch fest, dass die Synopsen, in welchen Bereichen des Kernlehrplans die Kompetenzen des Medienkompetenzrahmens und der Rahmenvorgabe Verbraucherbildung abgebildet sind, noch nicht zur Verfügung stehen. Auch diese Unterlagen wären für die Vorbereitung der zukünftigen Lehrkräfte des Faches Informatik und für die Beurteilung des Kernlehrplanentwurfs wichtig.

Für das Fach Informatik soll es keine Stundentafelerweiterung geben, wieder einmal werden die Ergänzungsstunden genannt, die genutzt werden sollen. Aus Sicht des VBE wird der Sinn der Ergänzungsstunden damit ausgehöhlt.

Detailkritik:

Die Differenzierung zwischen den Schulformen mithilfe der Progression der Operatoren führt in den Bereichen „Information und Daten“ sowie „Informatik, Mensch und Gesellschaft“ aus Sicht des VBE zu einer Benachteiligung der Schulformen außerhalb des Gymnasiums. So verbleiben die konkretisierten Kompetenzerwartungen an Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen stärker auf der deskriptiven Ebene, während am Gymnasium obligatorisch z.B. eine Bewertung der Digitalisierung vor dem Hintergrund ihrer Wirkung auf den Menschen vorgesehen ist. Hieraus folgert der VBE, dass z.B. eine Querschnittaufgabe wie Werteerziehung verbindlich dem Gymnasium zugeordnet wird, während diese Aspekte an den anderen Schulformen der Sekundarstufe I als fakultatives Add-On gelten. Der VBE stellt hierzu fest: Schülerinnen und Schüler aller Schulformen sollten sich obligatorisch kritisch mit den Bereichen der Künstlichen Intelligenz und der Digitalisierung an sich auseinandersetzen. Das ist sowohl aus gesellschaftlicher als auch aus dem Blickwinkel der notwendigen Bildungsgerechtigkeit notwendig.

Aus Sicht des VBE gibt es einen weiteren Verbesserungsbedarf in dem vorhandenen Mangel an Problemorientierung, welche in den übergeordneten Kompetenzerwartungen zwar noch etwas stärker zu finden ist, aber in der Konkretisierung dieser wesentlich geringer vorhanden ist. Es reicht nicht aus, die Vermittlung von komplexem Basiswissen, wie sie sich analog zu den Anforderungsbereichen I und II in den konkretisierten Kompetenzerwartungen darstellt, über einige lebensweltliche Bezüge herzustellen. Gerade in den Jahrgangsstufen 5 und 6 erscheint für den VBE ein spielerischer, praxisbezogener Ansatz zur Lösung von einfachen Problemen sinnvoller und zielführender.
Der Kernlehrplanentwurf bleibt die Antwort auf die Frage schuldig, inwiefern das Fach Informatik eine Verknüpfung mit anderen Fächern und Projekten der Schulen leisten kann.
Es erscheint als Einzelfach im Fächerkanon, obwohl Aspekte der Digitalisierung mittlerweile in vielen anderen Fächern integriert und etabliert sind. Gleiches gilt auch für Projekte wie z.B. die Tätigkeit der Medienscouts, die teils gleiche Inhalte aufgreifen. Auch sind die Behandlung solider Anwenderkenntnisse von Programmen, die ein der Berufswelt von elementarer Bedeutung sind, lediglich im Bereich Darstellung und Informatiksysteme von nachrangiger Bedeutung und finden zu wenig Beachtung. Diese Aspekte müssen auf jeden Fall spätestens bei der Beispielerstellung für einen schulinternen Arbeitsplan im Rahmen der Unterstützungsangebote berücksichtigt und eingebracht werden.

Fazit:

Insgesamt stellt der VBE fest, dass die notwendigen Vorarbeiten für die Einführung des Faches Informatik und der Implementierung des Kernlehrplanentwurfs nicht ausreichend abgeschlossen sind, um mit dem Unterrichten des Faches zum Schuljahr 2021/2022 zu beginnen. Es fehlen aktuell sowohl noch die notwendigen Lehrkräfte als auch die wichtigen Unterstützungsangebote. Daher spricht sich der VBE dafür aus, den Start des Faches Informatik zu verschieben, damit an allen Schulen die Basis für einen qualitativ hochwertigen Unterricht im Vorfeld gestaltet werden kann.

Stefan Behlau
Landesvorsitzender VBE NRW

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